Freitag, 3. Juli 2015

Kleine Tracheostoma-Kunde

Der Mausbeere geht es eigentlich wieder total super - zumindest solange man das Sprechventil nicht benutzt. Sobald die Atmung zum Teil durch Mund und Nase geht, merkt man, dass es der Dame sichtlich schwerfällt und unangenehm ist. Also sind wir gestern zum Hals-Nasen-Ohrenarzt unseres Vertrauens gefahren, der sich das Beerchen nochmal ansehen sollte. Der hat in der Tat einen ziemlich geröteten Rachen und dick angeschwollene Mandeln sehen können und auch das eine Ohr scheint noch nicht ganz in Ordnung zu sein. Die aktuelle Therapie mit dem Antibiotikum ist eigentlich genau richtig und so sollen wir damit erstmal weitermachen und können dem Beeren-Kind zusätzlich noch etwas Fiebersaft verabreichen, der auch entzündungshemmend wirkt.
Also herrscht für die Mausbeere weiterhin Sendepause und die Absaugpumpe läuft immer noch recht häufig, wenn auch nicht mehr ganz so oft wie zu Beginn des Infektes am Wochenende. Dabei wurde mir in den letzten Tagen erstmal bewusst, wie sehr diese ganzen Hilfsmittel, die ein Tracheostoma so mit sich bringt schon zu unserem alltäglichen Leben gehören. Dabei handelt es sich dabei eigentlich um recht befremdliche Gegenstände, mit denen der Ottonormalbürger in seinem ganzen Leben nie zu tun hat - und wohl verständlicherweise auch gar nicht zu tun haben möchte. Da vermutlich ein Großteil unserer fleißigen Blogleser ebenfalls recht wenig firm mit diesem Thema ist, will ich heute mal einige Dinge zum Tracheostoma und dessen Versorgung erklären, da wir das im Detail bislang noch gar nicht gemacht hatten.
Beginnen wir also erstmal mit dem Tracheostoma selbst. Dabei handelt es sich um einen sogenannten "Luftröhrenschnitt", das Wort setzt sich aus den Worten "Trachea", also Luftröhre, und "Stoma" zusammen, das eine künstlich erzeugte Körperöffnung ist (das Löchlein für die Magensonde (PEG) nennt sich offiziell auch Gastrostoma). Die Gründe, aus denen die Mausbeere das Tracheostoma bekommen hat, können hier nachgelesen werden. Damit dieses Stoma offen und die Luftröhre stabil bleibt, wird in das Tracheostoma eine Trachealkanüle eingeführt. Ich habe mal eine solche Kanüle der Mausbeere fotografiert - das gebogene Röhrchen auf der linken Seite ist der Teil, der sich dann in der Luftröhre befindet und die beiden Flügelchen (vorne und hinten im Bild) sind dazu da, um ein Haltebändchen anzubringen.
Trachealkanüle pur...
...und an grinsender Mausbeere verbaut.
Wenn man nun husten muss, bringt man dabei normalerweise ja etwas Schleim nach oben, der normalerweise gleich wieder heruntergeschluckt wird. Darüber macht man sich normalerweise gar keine Gedanken, denn das passiert ganz automatisch. Hat man allerdings eine Trachealkanüle in der Luftröhre stecken, ist diese beim Husten im Weg und es landet öfter mal etwas von dem hochgehusteten Sekret in dem kleinen Röhrchen. Das äußert sich in einem röchelnden Geräusch und kann ab einer gewissen Menge bei der Atmung stören oder im schlimmsten Fall sogar die Kanüle komplett verstopfen (ist bei uns zum Glück noch nie passiert). Um das nervige Zeugs also wieder loszuwerden, hat man als stolzer Tracheostoma-Besitzer immer eine sogenannte Absaugpumpe dabei (wurde an dieser Stelle schonmal vorgestellt). Auf den Absaugschlauch (dessen Verlust uns ja schon zu einer Nachtwanderung durch Lübeck animiert hat) wird ein sogenannter Absaugkatheter gesteckt, mit dem man dann den Schleim aus der Kanüle saugen kann. Dabei handelt es sich um einen absolut sterilen Plastikschlauch, den man ausdrücklich nur einmal verwendet. Der Absaugvorgang selbst ist eigentlich auch kein Hexenwerk - man entwickelt relativ schnell ein Gefühl dafür, wie weit man den Katheter einführen darf und wie lange man saugen muss. Zu Demonstrationszwecken haben wir immer eine alte Kanüle inklusive Katheter mit entsprechenden Markierungen griffbereit.
Unser Muster-Absaugkatheter mit Markierung...
...damit man sieht, wie tief man ungefähr saugen darf.
Damit die eingeatmete Luft nicht ungefiltert durch die Kanüle eintritt, gibt es unterschiedliche Aufsätze, wie die feuchte Nase (Erklärung hier) oder das Sprechventil (Erklärung hier). Bei letzterem hat man ja den Vorteil, dass sich aufgrund der Funktionsweise so gut wie gar kein Sekret in der Kanüle sammeln kann. Warum dies genau der Fall ist, wird sehr schön in einem Video der Firma Passy-Muir erklärt. Das Video ist zwar in englischer Sprache, aber mit sehr anschaulichen Animationen versehen und sollte somit einen guten Eindruck vermitteln:


Übrigens ist die Mausbeere mit dem Tracheostoma gar nicht in so schlechter Gesellschaft, denn zum Beispiel auch der brillante Astrophysiker Stephen Hawking hat eines aufgrund seiner Amyotrophen Lateralsklerose (ALS). In dem biografischen Film "Die Entdeckung der Unendlichkeit" wird sogar in einer sehr eindrucksvollen Szene ansatzweise die Anlage des Tracheostomas gezeigt. Während für den durchschnittlichen Zuschauer dieses Films vermutlich schon die Idee eines Luftröhrenschnittes befremdlich anmuten muss, fanden wir es eher etwas seltsam, dass in den anschließenden Szenen immer ein offenes Kanülenende ohne feuchte Nase oder so zu sehen war...
Und auch als ich neulich in einer Buchhandlung die Biografie der aktuellen Friedensnobelpreisträgerin Malala durchblätterte, lugte mir auf einer der Fotoseiten plötzlich eine feuchte Nase entgegen. Nach dem brutalen Attentat musste auch bei ihr während des Genesungsprozesses ein Tracheostoma angelegt werden.

Ich hoffe, ich konnte einen kleinen Einblick vermitteln, mit welchen Dingen wir so tagtäglich zu tun haben. Natürlich muss das Tracheostoma regelmäßig gereinigt, und Bändchen, Kompresse und Kanüle regelmäßig gewechselt werden, was ebenfalls zu unseren tagtäglichen Pflichten gehört.

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