...und zwar aus neuen Schläuchen - so könnte die Kurzzusammenfassung von heute lauten. Aber ich will mal versuchen, die Erlebnisse und Erkenntnisse dieses aufregenden Tages etwas ausführlicher zu berichten.
So gegen 10 Uhr wurde die Mausbeere in Richtung Endoskopieraum gefahren und die Mama durfte - angetan mit grüner Kluft und mit OP-Haube - die ganze Untersuchung über dabei sein. Zuerst wurde der Dame über das Tracheostoma ein Narkosegas verabreicht, mit dessen Hilfe sie nach kurzer Zappeligkeit ganz friedlich weggedämmert ist. Erst nachdem sie nichts mehr mitbekommen hat, haben sich zwei Ärzte parallel auf die Suche nach einer geeigneten Stelle für einen Venenzugang gemacht, über den dann die weiteren Schlafmittelchen verabreicht werden sollten. Es hatte fast schon etwas von einem kleinen Wettkampf und schließlich hatte der Doktor, der sich die linke Hand der Beere vorgeknöpft hatte, Erfolg.
Als erstes wurde dann mit einem flexiblen Endoskop in die Nase der Mausbeere geguckt (das Bild der daran befindlichen Kamera wurde auf einen Bildschirm übertragen, auf dem auch ich einen schönen Blick ins Innere des Mausbeerenhalses werfen konnte), wobei sie noch nicht komplett abgeschossen war und noch selbstständig geatmet hat. Das war wichtig, um zu sehen, wie sich die Stimmbänder und die oberen Atemwege beim Atemvorgang verhalten. Da bei unserem Beerchen ja eigentlich alle "Gänge" wie Nase, Ohren, Rachen usw. sehr eng sind, war diese Prozedur schon gar nicht so einfach. Trotzdem fiel an dieser Stelle schon auf, das sich die Stimmbänder bei der Atmung so gut wie gar nicht bewegten, was bedeutet, dass keine Atemluft daran vorbeiströmt. Anschließend wurde die Mausbeere komplett "relaxiert", also komplett ins Reich der Träume befördert, so dass sie über das Tracheostoma beatmet wurde. Das war nötig, um mit einem starren Bronchoskop die Luftröhre und die unteren Atemwege zu begutachten. Dort war allerdings alles in Ordnung und es haben sich keinerlei Polypen oder Granulome gebildet.
So, was passt denn nun nicht beim Atemvorgang der Mausbeere? Da die Atemwege vom Kehlkopf über die Stimmbänder bis hin zur Luftröhre frei und in Ordnung sind, liegt das Problem oberhalb des Kehlkopfes. In diesem Bereich (im Rachen und in der Zungengegend) ist der Muskeltonus sehr stark, die Muskeln also prinzipiell sehr hart und angespannt. In Verbindung mit den engen anatomischen Verhältnissen reicht die Ausatemluft momentan nicht aus, um diese Passage für den Ausatemvorgang genügend zu öffnen. Ich hoffe, ich habe mich halbwegs verständlich ausgedrückt, denn auch ich musste mehrmals nachfragen, bis ich es endlich verstanden hatte ;-)
Aber warum hatte die Mausbeere früher keine Probleme mit der Ausatmung durch Mund und Nase? Möglicherweise liegt es einfach am normalen Wachstum, bei dem sich einige Bereiche im Rachen der Dame ungünstig entwickelt haben. Laut dem Doktor sind diese Probleme mit dem hohen Muskeltonus und den anatomischen Besonderheiten sehr typisch für das Cornelia de Lange-Syndrom (habe ich schon erwähnt, dass wir es super finden, wenn sich ein Arzt mit "unserem" Syndrom auskennt?). Eine andere Begründung mag tatsächlich an dem Infekt liegen, der das Beerchen vor gut zwei Monaten heimgesucht hatte und nach dem die Probleme mit dem Sprechventil zum ersten Mal aufgetreten sind. Manche Infekte erzeugen wohl Schwellungen in bestimmten lymphatischen Geweben (wie z.B. der Zunge), die durchaus über längere Zeit für Probleme sorgen können.
Wie geht es nun weiter? Da sich nur sehr schwer prognostizieren lässt, wie sich die anatomischen Gegebenheiten der Mausbeere weiter entwickeln heißt es für uns einfach: ABWARTEN. In größeren Abständen sollen wir das Sprechventil immer mal wieder ausprobieren, um zu schauen ob es vielleicht funktioniert. In dem Zusammenhang wollte ich noch nachtragen, dass wir am Wochenende nochmal einen Sprechventilversuch gestartet hatten und gefühlt etwas besser funktioniert hatte. Trotz der
größeren Kanüle (die übrigens auch laut Kölner Spezialisten so in Ordnung ist), die die Luftwege vor drei Wochen noch komplett blockiert hatte, konnte die Dame unter Anstrengung etwas ausatmen und sogar ein paar Töne erzeugen. Das alles war in keinster Weise entspannt, aber immerhin eine kleine Verbesserung. Naja, wir werden uns von unserem Beerchen überraschen lassen - dass bei ihr nicht alles ganz standardmäßig ist und gewisse Dinge länger brauchen, sind wir ja schließlich schon gewohnt.
So, jetzt kommen wir noch zum Button. Nachdem die Tracheostoma-Untersuchung abgeschlossen war, wurde noch eine Gastroskopie durchgeführt, bei dem ein dickerer Schlauch mit Kamera und Arbeitskanal (zum Einführen von Werkzeugen) durch die Speiseröhre in den Magen eingeführt wurde. Damit konnte dann unter Sicht die Halteplatte, die die
alte PEG-Sonde im Magen gesichert hat, entfernt werden. Anschließend musste das Stoma (also die Entrittsstelle) etwas geweitet werden, da die alte PEG-Sonde einen sehr winzigen Durchmesser hatte und der neue Button etwas größer ist. Nachdem das geschehen war, wurde der Button ebenfalls unter endoskopischer Kontrolle in den Magen geschoben. Die genaue Funktionsweise vom Button und die Vorteile gegenüber der alten PEG-Sonde werden wir später nochmal genauer mit Bildern erläutern (ich glaube die geneigten Beeren-Fans sind eh schon vollkommen Banane im Kopf von den obigen Ausführungen). Wir sind jedenfalls froh, dass dieser Wechsel so schnell und unkompliziert über die Bühne gehen konnte, denn wenn die PEG-Sonde aus irgendeinem Grund kaputt gegangen wäre, wäre für einen Wechsel sonst eine eigene Narkose nötig gewesen, die wie dem Beerchen so nun ersparen konnten (und wir gehen mal schwer davon aus, das so etwas garantiert nachts oder am Wochenende passiert wäre...). Natürlich wurde der Button schon offiziell seiner Bestimmung übergeben und etwas Tee und Nahrung darüber sondiert. Die Handhabung ist noch etwas gewöhnungsbedürftig, aber da werden wir bestimmt schnell unsere eigene Technik dafür entwickeln.
Nachdem auch der Button erfolgreich eingebaut war, wurde das Beerchen wieder in ihr Bettchen verfrachtet und in den Aufwachraum gefahren. Dort ist sie zwar nicht aufgewacht, wurde aber wegen des stabilen Allgemeinzustandes pennenderweise nach zwanzig Minuten oder so schon wieder auf die Normalstation gefahren und zwar ohne weiteren Sauerstoffbedarf. Dort ist sie nach einem weiteren Stündchen dann als von Lachanfällen geschütteltes Energiebündel wieder aufgewacht. Von Intensivstation (wie in der MHH ja immer als allgemeine Vorsichtsmaßname üblich) war hier überhaupt nicht die Rede und es war ja auch absolut nicht notwendig. Wann wir nun genau die Heimreise antreten werden, wissen wir noch nicht, lassen wir uns mal überraschen.